Nur eines der Alleinstellungsmerkmale von Schuster Gerhard Wieser, der sich im März des Vorjahres im Keller seines Hauses in Rassing, einer Katastralgemeinde von Kapelln (geografischer Mittelpunkt des blaugelben Bundeslandes), eine kleine, feine Werkstatt eingerichtet hat. Zurück zu den Wurzeln des erlernten Handwerks wollte der Meister und weg von den Schischuhen von Atomic und danach Fischer und einer Führungsposition.
In der Werkstatt gibt es eine Schleifmaschine, eine Nähmaschine und hochwertiges Leder von Kalb, Rind, Schwein, Ziege und Hirsch, das man schon riecht, bevor man es sieht.
Sofort fallen die Schuhe auf, maßgefertigte Wieser, die hier auf ihre Besitzer warten, die die individuelle Passform und Machart schätzen und sich diese leisten (rund 1200 Euro pro Paar ohne Leisten). Fast magisch wird man von den klassichen Schnürern (auch ein orthopädischer Schuh), den Trachtenschuhen (auch ein Niederösterreicher), den Sneakers, Golfschuhen und den Pumps angezogen. Selbiges zu tun, untersagt man sich selbst. Aber in die Hand nehmen, angreifen, das muss sein. Ein gutes Gefühl.
Wie muss es sich da erst anfühlen, so einen Schuh zu tragen? Wahrscheinlich wie Wellnessurlaub für die Füße, wie die Leichtigkeit des Seins.
Aus einem Stück Leder
Für diesen perfekten Tragekomfort arbeitet Wieser bis zu 30 Stunden an einem Paar. Aller Anfang eines Maßschuhes ist, wie der Name schon sagt, das Maßnehmen. Dabei werden der rechte und der nicht idente linke Fuß genau unter die Lupe genommen, Länge, Breite und etwaige Fehlstellungen vermessen und dokumentiert, auch dreidimensional mittels Schaumabdruck. Nach diesen Vorlagen und Vorgaben wird der Leisten, das Herzstück des Schuhs, angefertigt. Heißt: Gerhard Wieser adaptiert die Rohleisten durch Abschaben und Aufpolstern mit Kork für die Füße des zukünftigen Trägers. Ist die Entscheidung punkto Farbe, Gestaltung und Lederart gefallen, wird zugeschnitten.
Zuerst Papier, dann Leder, entweder mehrere Einzelteile oder, wie es Wieser immer öfter macht, nur ein Stück – das zweite Alleinstellungsmerkmal des Schusters. Der große Vorteil dieser Verarbeitung: „Wenn es keine Naht gibt, gibt es auch keine Materialüberlappungen und somit keine Druckstellen.“ Und wie wird es gemacht? Zuerst zieht er das nasse Innenleder vom Kalb über den Leisten, spannt und befestigt es. Darüber kommt das Oberleder, ebenfalls vom Kalb und nass, denn nur so kann es bis ans Limit gezogen werden. Zuerst über die Ferse, dann über die Zehenkappe, auf der Sohle jeweils mit einem Nagel fixiert. Von vorne nach hinten und abwechselnd rechts und links wird in Folge immer wieder fest gespannt, das Leder in immer kleinere Falten gelegt, die wieder auf der Leistensohle genagelt und letztlich geklammert werden.
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